Leben in einem Zimmer mit der toten Mutter und ihrem toten Sohn... Es ist in in Bethlehem zu gefährlich, die Toten zu begraben.
Hajja Sumayya (64) und Marusa Abdeh (37) liegen tot in ihrem eigenen Heim, ermordet - - in jener Stadt in welcher einst Jesus geboren wurde. Haija und Marusa wurden von Juden ermordet - mit 18 Schüssen durch die geschlossene Haustür.
Tageslicht dringt durch die Einschusslöcher in der Tür. Sie führt auf eine Hinterstrasse in der Altstadt von Bethlehem, nur 300 Meter von jener Kirche entfernt in deren Bereich einst Jesus zur Welt kam. In der Mauerwand des kleinen Zimmers sieht man deutlich die Einschussspuren der israelischen Geschosse, - mitten auf dem Fussboden liegen die toten, zerfetzten Körper der Mutter und ihres Sohnes, - durchlöchert und massakriert von den jüdischen Kugeln. Die Toten liegen in einer Stellung, die deutlich bezeugt, dass diese Menschen einen schnellen und gnadenlosen Tod bekamen.
Auf dem Sofa sitzt Khalid Yacoub Issa Abdeh, der zweite Sohn der toten Mutter. Sieh her, sagt er zu mir, hier in diesem Stuhl sass meine Mutter, Du kannst noch die Blutspuren sehen, die entstanden, als sie von den Judenkugeln durch die Tür ermordet wurde.
Khalid zittert am ganzen Körper, als er über seine tote Mutter, seinen toten Bruder spricht, mit deren Leichen er nun leben muss. Er hat sie nicht angefasst. Er sagt: Ihr sollt alle, die ganze Welt, sehen, welches Verbrechen hier geschehen ist. Ein furchtbarer Gestank nach Verwesung durchzieht das enge Zimmer.
Im Morgengrauen des 2. April 2002 rückten 100 israelische Panzer in die Heilige Stadt Bethlehem ein. Khalid berichtet: Meine Mutter hatte noch eben gerade meine drei Kinder aus dem oberen Stockwerk geholt, fünf Minuten danach schlug eine Granate durch das Dach, abgefeuert von israelischen Kampfhubschraubern. Khalid zeigt uns die fussballgrossen Löcher im Dach. Überall liegen Mauerreste und Glassplitter herum. Als Schüsse von der Strasse zu hören sind, sehe ich, wie Khalid zusammenzuckt. Isrealische Soldaten feuern - auf die Geburtskirche Jesu.
Khalid fährt fort: Meine Mutter holte also meine Kinder rasch in das unterste Stockwerk, nun waren wir insgesamt 13 Menschen hier im Zimmer, - wir glaubten uns in einer - falschen - Sicherheit. Khalid sagt: - In der Strasse vor unserem Haus rotteten sich mehr als hundert israelische Soldaten zusammen, alle Nachbarn haben geschrien, es seien bei uns nur Zivilisten im Haus, da gäbe es keine Bewaffneten. Khalid fährt weinend fort: Die Juden nahmen aber keine Rücksicht , sie feuerten mit ihren Automatwaffen wie wild drauflos, 18 der Geschosse schlugen durch die Tür, - keiner von den Mördern kam ins Haus, keiner von ihnen hat eine Frage gestellt, sie haben nur einfach - durch die Tür - drauflosgeschossen, sind dann weitergezogen.
Das Telefon - im gleichen Raum wie die verwesenden Leichen - läutet. Andere Verwandte rufen an. Alle wissen, was geschehen ist. Die Toten können nicht herausgeholt werden, die Strassen sind zu gefährlich, die israelischen Mörder lassen die Ambulanzen nicht passieren.
Khalid fragt sich, - warum haben die Israelis sein Haus als Ziel benutzt, - es gab zwar - vor Jahren - dort einen Neffen, der Krieger der Hamas war, aber er ist doch seit langem tot. Khalid sagt, er und sein ermorderter Bruder hatten doch nichts mit der Sache zu tun, er weist auf die Wand, an der ein Foto seines toten Neffen hängt. Khalids Frau drückt ihre drei Kinder dicht an sich. Durch die dünne Mauer - aus dem kleinen Laden nebenan - höre ich das schluchzende Weinen von Menschen. Dort sind Nachbarn und Freunde versammelt.
Warum, warum nur haben die Israelis diese Greueltat begangen, fragt Khalid verzweifelt.