Es war am 15.Mai 1991, ich erlebte die Stadt meiner Träume das erste Mal hautnah. Voller Emotionen und Glückshormonen besuchte ich all die Stätten der Kultur und der Geschichte.

Sie ist wunderschön diese Stadt und sie hat bis heute nichts von ihrer Anziehung für mich verloren, nein eher hat sie etwas dazu gewonnen, durch diese ungewöhnliche Begegnung mit einem sehr alten Mann.

Dieses Treffen hat viel in meinem Leben verändert und mir wieder Werte näher gebracht, die ich schon für verloren oder zumindest für Raritäten hielt. Ich lernte, dass die Liebe und ein gegebenes Versprechen niemals an Gültigkeit verliert.

Ich sah ihn das erste Mal auf dem Pont Neuf und mir blieb bei seinem Anblick fast das Herz stehen und Tränen stahlen sich ganz unbewusst aus meinem Auge, ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, so traurig bizarr und doch so schön war sein Anblick. Er stand allein auf der Brücke in einem dunklen Anzug, der einen Schnitt hatte, wie es in den vierziger Jahren Mode gewesen war. Sein Gesicht war leicht gebräunt und sein Bart und das Haar waren weiß, ein sehr schönes strahlendes Weiß. Genauso strahlend waren seine Augen, obwohl ich heute nicht einmal mehr sagen kann, von welcher Farbe sie waren.
Dieses Strahlen von Ruhe, Frieden und Liebe werde ich aber nie vergessen können.

In seinem alten, von der Sonne und der harten Arbeit gegerbten Händen hielt er ein Foto, mit dem Bildnis darauf von sich abgewandt, so dass die junge Frau darauf einen Blick auf Paris werfen konnte. Er drehte sich ganz langsam im Kreis und erzählte was alles zu sehen sei, er berichtete es mit so vielen kleinen Details, dass mit der Verdacht kam, die Frau auf dem Foto sein blind.
Seine Stimme war sehr weich und warm, wie man es eigentlich nur bei einem Gespräch zwischen Menschen erlebt die sich sehr Nahe stehen.

Die Frau auf dem Bild war Anfang 20 vielleicht und sie hatte dunkle halblange Haare, die in Wellen nach hinten gekämmt waren, so wie es in den dreißiger Jahren Mode war, meine Oma hat auf ihrem Hochzeitsfoto dieselbe Frisur.
Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, obwohl es nicht perfekt war und dunkle Augen, ihr Lächeln glich dem der Mona Lisa. Was diese Frau so besonders schön machte, war aber die Liebe die sie in den Augen des Mannes hervorrief.

Meine Tränen liefen immer noch, ich konnte noch nicht fassen was ich da sah und ich habe es auch erst viel später wirklich realisiert, dass das alles kein Traum war.
Ich ging zu dem Mann und sprach ihn an, voller Scheu aber von Neugierde getrieben.
Er lächelte mich an und fragte, ob wir seine Geschichte hören wollten. Was ich sofort bejahte ohne auf meinen Begleiter zu achten, aber es war mir so wichtig, dass ich alles um mich vergaß und nur noch der alte Mann und ich in diesem Moment existieren.
Er lud uns in ein Bistro ein.
Wir gingen zu einem sehr kleinen schönen Bistro, wo man direkt auf die Seine blicken konnte und setzen uns draußen unter einen Sonnenschirm um den Atem von Paris weiter in uns aufzunehmen.

Er fragte uns nach unseren Namen und stellte sich auch vor, nachdem die Höflichkeiten ausgetauscht waren, meinte er, dass er jetzt erzählen werde, wer diese Frau war und welche Rolle sie in seinem Leben gespielt hatte.
Der Mann sprach im übrigen deutsch mit uns, was mit den Jahren die er in anderen Ländern verbracht hatte, einen eigenartigen Akzent angenommen hatte.
Es war das Jahr 1935 da lernte er sie kennen. Sie lebten damals beide in einer kleinen Stadt bei Hamburg.
Sie verliebten sich ineinander und heirateten am 12.05.1936, soweit war es eine ganz normale Geschichte, wie sie tausendfach überall auf der Welt passiert.

Sie hatte den Traum einmal Paris zu sehen und an ihrem Hochzeitstag, versprach er ihr, dass er ihr die Stadt zeigen werde.
Sie lebten glücklich zusammen und dachten, dass nichts auf dieser Welt ihr Glück zerstören konnte. Da schlug das Schicksal erbarmungslos zu.
Sophie, so hieß sie, wurde plötzlich krank. Ihr Gesicht wurde immer blasser und sie wurde immer dünner, die Diagnose der Ärzte : Schwindsucht. Er erzählte uns von ihrem langen Leidensweg.
Im Winter 37/38 starb sie in seinen Armen und das uneingelöste Versprechen sollte ihn den Rest seines Lebens begleiten.
Der Krieg brachte ihn nach Russland und dort wurde er verletzt.
Das Versprechen was er ihr gegeben hatte, war vergessen - ihr Bild begleitete ihn aber, nicht auf Celluloid gebannt, sie war immer noch in seinem Herzen und er hörte immer noch den Klang ihrer Stimme.
Nach Ende des Krieges ließ er sich in Berlin nieder, da er um nichts in der Welt in seine alte Heimat zurück wollte, wo ihn doch alles an sie erinnerte.
Der Mauerbau überraschte ich, wie so viele andere und so blieb ihm der Weg versperrt, sein Versprechen einzulösen. In seinem Inneren hatte er sich damit abgefunden, dass er sie enttäuscht haben musste.
Er heiratete wieder, aber seine Seele fand nie wieder wirklich Ruhe. Mit seiner Frau zog er beruflich in verschiedenste Länder, lebte in Russland, Ungarn, in einigen afrikanischen Staaten um am Ende doch wieder nach Berlin zurück zu kehren, um dort zu sterben.
Seine zweite Frau starb 1988 und er war wieder allein, er vermisste Sophie immer noch, obwohl seine Ehe glücklich gewesen war. Aber sie war niemals mit soviel Liebe gesegnet gewesen, er war mehr eine Freundschaft gewesen, die sie verbunden hatte und das Leben meistern ließ.
Dann kam der Mauerfall 1989 und das Tor zur Welt stand für ihn offen.
Das Schicksal was ihn so oft betrogen hatte und ihm das Liebste was er je besaß genommen hatte, schien sich mit ihm versöhnen zu wollen.

Er hatte schon alle Reisevorbereitungen getroffen, da wurde er krank. Seinem Schicksal hadernd, kämpfte er um sein Leben und nach einem mehrmonatigem Hin und Her, sollte er gesunden. Seine Worte zu seiner Genesung "Ich wollte mein Versprechen einlösen, dass ich der einzigen Frau gab, die ich jemals geliebt habe.".

So traf er erneut alle Vorbereitungen und reiste nach Paris, ich habe ihn gesehen, wie er sein Versprechen einlöste und ich bin mir sicher, dass sie von einer Wolke herab lächelnd zugesehen hat.

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WonderWoman
Wenn Allah will, dass Du an einem bestimmten Ort stirbst, dann gibt er Dir einen Grund, an diesen Ort zu gehen.

Ich muss sagen das ist eine wunderschöne geschichte, ist mir erst jetzt aufgefallen ....sonst hätte ich es nicht erst jetzt gelesen!